Interview mit Stella

Was motiviert Dich, unentgeltlich für Die Dargebotene Hand tätig zu sein?
Ich arbeitete 14 Jahre in einem Altersheim als Aktivierungstherapeutin. In die Altersarbeit wollte ich als Freiwillige nicht einsteigen, da ich finde, dass diese Arbeit bezahlt werden sollte. Neugierig auf etwas Neues, entdeckte ich die Möglichkeit, als Beraterin bei Telefon 143 zu arbeiten. Telefoniert habe ich zwar früher nie gerne, aber hier schien mir das eine sehr gute Möglichkeit zu sein. Das anonyme Angebot, bei dem beide Seiten anonym bleiben, überzeugte mich.

Was sind die Unterschiede für dich zur bezahlten (Berufs-) Arbeit? Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen ehrenamtlicher und bezahlter (Berufs-) Arbeit?
Ich hatte Mühe mit gewissen Hierarchien, die einem manchmal an der Arbeit hinderten. In meiner Tätigkeit heute, als Freiwillige bei der Dargebotenen Hand  habe ich eine grosse Freiheit. Ich werde nicht in Abläufe und Strukturen gezwungen. Meine Arbeit kann ich selbständig gestalten, natürlich mit Unterstützung des Fachteams, der Weiterbildung usw.

Welches sind die positiven Erfahrungen der ehrenamtlichen Tätigkeit?
Fasziniert war ich und bin es immer noch von dem sehr breiten Spektrum der Anrufe. Meine Arbeit ist sehr sinnvoll. Ich kann für Menschen da sein und Beziehungen auf Distanz eingehen. Ich erhalte auch viel von diesen Menschen zurück, weil es nie nur ein „Geben" ist. Die Beratung ist sehr vielseitig, nicht langweilig. Es ist nicht möglich, etwas einfach in einer Schublade einzuordnen. Ich höre Geschichten, die ich privat nie hören würde. Das zeigt mir auch meine Grenzen und ich kann daran wachsen. Zudem habe ich keinen anderen Ort kennen gelernt, an dem immer wieder so viele gute, spannende Menschen zusammen kommen.

Ich treffe hier Leute, mit denen ein intensiver Austausch auf der persönlichen, menschlichen Ebene möglich ist. Es ist nie oberflächlich. Auch sehe ich kein Konkurrenzdenken. Jede Person ist willkommen mit ihren spezifischen Eigenheiten, die sie in die Beratung eingeben kann. Das wird bei jeder Person individuell wertgeschätzt. Die Wertschätzung wird mir auch von der Organisation entgegengebracht.

Gibt es allenfalls auch kritische Erfahrungen?
Nein, aber es ist wichtig, dass Menschen, die hier arbeiten verantwortungsbewusst sind. Sie müssen selbständig arbeiten und Verantwortung übernehmen können und auch bereit sein zur Selbstreflexion.

Gibt es Vorbilder für dich zur ehrenamtlichen Tätigkeit?
Vorbilder gibt es eigentlich nicht. Aber ich bin in einem Geschäft aufgewachsen. Schon von klein auf habe ich immer mitgeholfen, wo es nötig war. Das hat mich sicher geprägt. Von meinem Vater lernte ich „Es kommt nicht darauf an, welchen Status du hast, sondern wie und wer du als Person bist." Für ihn zählten Werte wie „Anstand und gut zu andern zu sein".
Wir waren drei Töchter und wir wurden als Menschen und nicht in erster Linie als Frauen erzogen. Aus dieser Haltung heraus habe ich mich so entwickelt, dass ich kaum Berührungsängste habe, egal, wen ich antreffe. Mein hier ausgebildetes Selbstwertgefühl hilft mir auch bei der Arbeit am Telefon. Ich kann Menschen dort abholen, wo sie gerade sind.

Hat dein Umfeld Kenntnis von deiner Tätigkeit?
Ja, meine Freunde und Bekannte wissen, wo ich arbeite und sie finden das interessant. So kann ich auch andere für diese Tätigkeit motivieren.